Jos. Mantz

Image: Ries-Goller house in the 1920s
Ries-Goller house in the 1920s. Photo by Ries-Majerus family.

Kriegserinnerungen von Jos. Mantz

Ich war erst 3 Jahre alt, als die Rundstedtoffensive hier in Bondorf wütete. In diesem Alter kann man sich nicht genau an alles erinnern, was damals so passierte. Aber durch die große Angst, welche unter den Eltern und Erwachsenen herrschte, sind doch einige Machenschaften im Gedächtnis hängen geblieben.

Genaue Tage und Daten kann ich nicht deuten. Doch weiß ich genau, dass wir unser Pferd an den Wagen gespannt hatten. Wir fuhren bis an die Weggabelung beim Hause Thomas. Hier ging mein Vater hoch in den „Klenggescheck“, wo mein Großvater alleine wohnte. Mein Vater bat ihn, mit uns weg zu fahren. Doch dieser wollte zu Hause bleiben. So entschlossen wir uns dann auch wieder nach Hause zurück zu kehren.

Hier begaben wir uns mit Esswahren und Decken in den Keller. Wir, das waren meine Eltern, Großeltern (die Eltern meines Vaters), meine Schwester und ich, sowie die Nachbarin von gegenüber, die Witwe Schirtz-Henks, genannt „Schmetten Ani“, welche sich in diesen Tagen bei uns aufhielt.

Aus welcher Ursache auch immer blieben wir nicht in unserem Keller. Irgendwann befanden wir uns im Keller von „Mechels“ im heute noch vorhandenen Gebäude Ketter-Wagener. Wie viele Leute hier waren, weiß ich nicht. Aber in einem Moment traten zwei Deutsche in den Keller. Mein Vater erzählte, dass einer davon eine Handgranate in der Hand hatte und sagte „Wenn die Tommies hier rein kommen, fliegt der ganze Keller in die Luft“. Ein junger deutscher Soldat traute sich auch in den Keller. Doch dieser wurde von den beiden anderen wieder hinausgeworfen. Er sei jung und müsse für sie kämpfen.

Plötzlich begann das Hauptgebäude, das Haus und die Ställe zu brennen. Meine Eltern, meine Schwester und ich verließen den Mechelskeller. Meine 6 Monate alte Schwester befand sich in einem „Schinnekoerf“, welcher von meinem Vater getragen wurde. Meine Mutter und ich liefen hinterher, durch den Garten Ketter in den Garten der Familie Ries-Goller. Hier über die Mauer, in den Hof und zur Vordertür des Hauses, welche aber verschlossen war. Nach einigem Klopfen wurde die Tür aufgemacht. Als erstes erschien der Lauf eines Gewehrs, dann wurde uns Einlass gewährt. Ohne ein Wort wurde uns der Weg in den Keller gezeigt, wo sich die Hausbewohner und noch viele andere Dorfbewohner befanden.

Auch „Schmetten Ani“ blieb nicht in „Mechels“. Sie ging einfach über die Strasse, durch den Kugelhagel den Weg hinunter und kam heil im Hause Ries an. Wir waren noch nicht lange im Keller, als meine Mutter mit meiner Schwester aufgefordert wurde, in die Küche zu kommen. Natürlich lief ich hinter der Mutter her. In der Küche angekommen, wurde meiner Mutter ein Stuhl an den Herd gestellt, der „Schäffchen“ wurde geöffnet und sie durfte meiner Schwester die Füße wärmen. Es waren nur wenige Soldaten in der Küche. Ein Offizier sagte auf französisch zu meiner Mutter, er sei verwundet und warte auf den Krankenwagen. Er fragte, woher wir kämen und wo sich die Deutschen befänden. Wir waren bei den Amerikanern angekommen!

Als wir in den Keller zurückkamen, berichtete meine Mutter, es seien Amerikaner, was die anderen anfangs nicht glaubten. „Ja, es sind Amerikaner. Sie sind dabei, einen Schinken in der Pfanne zu braten.“ – „Gut, wenn es die Amerikaner sind.“ sagte Albert Goller. „Ich habe auch noch einen Schinken versteckt, dann sollen sie diesen auch bekommen.“ Er ging den Schinken holen, doch er kam zu spät. Die Amerikaner hatten den Schinken schon gefunden. Als das Schiessen sich beruhigte, holte mein Vater die Großeltern auch zu uns.

Nach der Offensive hier in Bondorf wurden viele deutsche Gefangene nach Syr gebracht. Ehe sie nach Frankreich ins Gefangenenlager kamen, wurden sie von den Amerikanern verhört. Ansay Mathias, ein gebürtiger Bondorfer, welcher in Syr verheiratet war, war neugierig, was sich in Bondorf zugetragen hatte. So konnte er in Erfahrung bringen, wie mein Grossvater ums Leben kam und teilte es später meinem Vater mit.

Der Autor des Buches „Das Ösling im Krieg“ schreibt: „Und niemand weiß, wie er ums Leben kam“, was dann auch von anderen Autoren übernommen wurde. Dazu nun Ansay Mathias:

Nicolaus Wampach war alleine zu Hause und befand sich in der Stube, wo er am Ofen Platz genommen hatte. Eine Wurst und einwenig Speck hatte er hier zum trockenen aufgehängt. Ein junger deutscher Soldat, der nach einem Versteck suchte und auch gewillt war, sich gefangen nehmen zu lassen, erschien in der Stube. Ausgehungert, wie die meisten Deutschen, wollte er ein wenig Speck haben. Großvater aber gab ihm nichts und wollte ihn hinauswerfen. In dem Augenblick, als er die Tür öffnen wollte, schoss der Deutsche ihm in die Lende. Dann schleppte er ihn in den Stall, wo er dann am Stephanstag gefunden wurde. Als der Soldat seinen Hunger gestillt hatte, ging er nach Oben und legte sich ins Bett, wo er sich von den Amerikanern gefangen nehmen ließ.

An unserem Haus war das Dach kaputt geschossen worden. Im Stall hatte es unser weißes Pferd „Bijou“ am Kopf erwischt. Es hatte vorne im Stall gestanden, wo ein Treffer eingeschlagen hatte. Im „Schmitzpesch“ am Bombentrichter wurde es erschossen.

Quelle: Mit freundlicher Erlaubnis von Jos. Mantz